Der Titel dieses Blogartikels klingt sehr anmaßend, ich weiß. Dabei warst Du bestimmt schon öfters südlich der Alpen und hast erfolgreich den gewünschten koffeinhaltigen Getränk bekommen, den Du bestellt hattest.
Warum also dieser Text? Einerseits möchte ich die Auffälligkeiten, die mir als “Zuagroasten” in Bayern bei meinen sporadischen Italienreisen ins Auge fallen; andererseits finde ich es hilfreich, sich wie die Einheimische zu verhalten, um mit ihnen leichter in Kontakt zu treten und nicht sofort als Tourist abgestempelt zu werden.
Denn ob Du es glaubst oder nicht, es gibt ein umfangreiches Protokoll dafür, wie in Italien Kaffee bestellt wird. Da ich Italien mit zwölf Jahren verlassen habe, ist es verständlich, dass ich mich damals noch nicht für Kaffee und dessen unausgesprochenes Verhaltensregelwerk interessiert habe. Deswegen war es für mich umso spannender, zu beobachten, wie meine Landsleute welchen Kaffee wann bestellen, da das ganze Prozedere keine Selbstverständlichkeit für mich war.
Dabei haben die vielen Verhaltensregeln tatsächlich etwas sehr Folkloristisches an sich und gehören in Italien zum alltäglichen Sozialverhalten dazu. Denn in den eigenen vier Wänden herrscht nämlich ein ganz anderer Kodex, auch weil dort der Kaffee meistens in einer Kaffeekanne (im Italienischen: Bialetti, Caffettiera oder Moka) zubereitet wird. Deren Möglichkeiten sind begrenzt und so gibt es normalerweise entweder den Moka-Kaffe pur oder mit Milch, unabhängig von der Uhrzeit.
Im Folgenden findest Du meine Beobachtungen wieder, die auch als flexibler Leitfaden dienen können, um in Italien Kaffee wie ein Italiener – oder eine Italienerin – zu bestellen.
Inhaltsverzeichnis
Der Ursprung meines Interesses an Kaffee
Die Internalisierung der Kaffeekultur erfolgt unter den Jugendlichen in Italien in den Teenagerjahren. Bei meinen italienischen Altersgenossen konnte ich nämlich im Laufe meiner Beobachtungen zwei Verhalten ausmachen, die sich erst in der Pubertät entwickeln: Sich mit Freunden zum Aperitif zu verabreden und in den beliebtesten Cafés der Stadt zu treffen und wie die Erwachsenen dort Kaffee trinken.
Dieser Sozialisation wurde ich in Deutschland nie ausgesetzt, deswegen bekam ich von der italienischen Kaffee-Etikette kaum etwas mit. Meine wenigen Erfahrungen mit Kaffee als Kind beschränkten sich auf das Schlürfen vom Cappuccino-Milchschaum, und das führte öfters dazu, dass ich als Zehn- und Elfjähriger schon mal Cappuccino nachmittags bestellte. (Kein Wunder, dass ich Jahre später in Deutschland landete.)
Erst mit Beginn des Agrarwissenschaftsstudiums wurde meine Neugier bezüglich Kaffee geweckt, als ich eine Lehrveranstaltung besuchte, die sich mit dem Anbau von Kaffee und Kakao beschäftigte. Ich war schnell von der Wissenschaft, die hinter der Produktion von einem scheinbar simplen Heißgetränk steht, begeistert!
Frühstück in Venedig
Bist Du in Venedig und Du suchst nach einer Empfehlung für ein gutes Café mit leckerem Essen? Hier findest Du meine Favoriten und hilfreiche Informationen, um den besten Kaffee der Lagunenstadt zu genießen.
Die Kaffeesorten in Italien
Beginnen wir mit den Kaffee(-getränk-)sorten in Italien. Wenn Du gerne Kaffee in den vielen Kettenfilialen wie Starbucks, Coffee Fellows usw. trinkst, wirst Du ein eine umfangreiche Kaffeekarte gewohnt sein, die nicht selten bis zu zwanzig Einträge aufweist.
In den meisten italienischen Cafés dagegen ist die Auswahl deutlich kleiner. Dort sind vorwiegend folgende Getränke zu finden.
Falls Du Dich für Kaffee und seiner Geschichte interessierst, kann ich Dir folgende Bücher empfehlen:
The World Atlas of Coffee: From Beans to Brewing – Coffees Explored, Explained and Enjoyed
In The World Atlas of Coffee: From Beans to Brewing – Coffees Explored, Explained and Enjoyed* werden die Ursprünge, die Anbaugebiete, die Ernte und jeden Schritt des Produktionsprozesses sehr gut erläutert und die Kaffeepflanze sowie die verschiedenen Sorten anschaulich erklärt. Der Weg von der Bohne bis zur Tasse sowie alle Möglichkeiten des Röstens und Brühens werden detailliert beschrieben.
Kosmos Kaffee
Das Buch Kosmos Kaffee* ist die Begleitlektüre der Sonderausstellung »Kosmos Kaffee« des Deutschen Museums aus dem Jahre 2019, bei der eine Freundin von mir mitgewirkt hat. Dieses Werk durchleuchtet das vielseitige Getränk aus einer wissenschaftlichen und zugleich sinnlichen Perspektive und nimmt Dich mit auf eine genussvolle und überraschende Reise durch den “Kosmos Kaffee”.
Caffè
Ein einfacher Espresso, der in einer fingerhutgroßen Tasse serviert wird. Manchmal gibt es den Espresso auch im Glas; einerseits weil Wert auf eine ansehnliche Präsentation gelegt wird, andererseits weil der Caffé so schneller kühlt und eher trinkbar ist. Dazu gibt es einen winzigen Löffel und Zucker, und wenn Du wirklich Glück hast, bekommst du auch noch einen kleinen Keks.
Das Wort “Espresso” wird von den Italienern normalerweise nicht benutzt, um in Italien Kaffee zu bestellen – denn sie ist eher die Bezeichnung für die Kaffeezubereitung an den großen Siebträgermaschinen und nicht für das Getränk selbst. Deswegen sagen die Italiener dazu einfach nur “un caffè”.
Caffè doppio
Ein Wort zum doppelten Kaffee: Wenn Du einen doppelten Espresso (“caffè doppio“) möchtest, empfehle ich Dir, stattdessen zwei einfache Caffé nacheinander zu bestellen. Erstens neigen die Einheimischen nicht dazu, einen Doppio zu trinken, andererseits steht der doppelte Kaffee auch doppelt so lange in der Tasse; da trinke ich lieber zwei frisch gemachte italienische Caffè.
Caffè lungo
Ein Caffè lungo enthält etwas mehr Wasser: Das mildert die Intensität des Espressos ab und ich kann ihn etwas länger schlürfen. Auch dieser Kaffee kommt in der winzigen Tasse, die nun aber randvoll ist.
Caffè ristretto
Ein Caffè ristretto ist das Gegenteil von einem Caffè lungo: Ein verdichteter Kaffee, der alles andere als mild schmeckt. Es wird kaum Wasser verwendet – gut für die Umwelt! -, aber die Koffeinkonzentration ist sehr hoch. Das ist nichts für mich.
Caffè Decaffeinato
Der Caffè decaffeinato eignet sich für diejenigen, die nicht auf einen guten Kaffee verzichten möchten, ihn aber lieber entkoffeiniert trinken.
Caffè d’orzo
Caffè d’orzo, italienisch für “Gerstenkaffee” und oft abgekürzt zu einfach orzo, oder Gerstenkaffee ist ein koffeinfreies, geröstetes Getreidegetränk, das aus gemahlener Gerste hergestellt wird. Es handelt sich um ein espressoähnliches Getränk, das, wenn es direkt aus gerösteter Gerste zubereitet wird, problemlos in typischen Espressomaschinen und Kaffeemaschinen zubereitet werden kann.
In Italien wird Caffè d’Orzo in traditionellen italienischen Espressomaschinen in Cafés zubereitet. Italienische Familien neigen stattdessen dazu, ihn mit einer Orziera zuzubereiten, einer speziellen Moka-Kanne, die für Gerste geeignet ist.
Der Caffè d'orzo enthält trotz des Namens gar keinen Kaffee, sondern nur Gerste, und ist glutenfrei.
caffè macchiato
Ein Caffè macchiato ist im Grunde ein Espresso mit einem Schuss Milchschaum, natürlich in der kleinen Tasse serviert.
Caffè Latte
Ein Caffè latte ist ein Milchkaffee, also ein caffè in großer Tasse mit kalter Milch.
Cappuccino
Wahrscheinlich das Lieblingsgetränk der Deutschen im Urlaub, egal in welchem Land. Ein Cappuccino ist die perfekte Kombination aus Espresso und Vollmilch, die zu einem Schaum aufgeschäumt wird.
Cappuccino wird in einer Einheitstasse serviert: Es gibt keinen großen oder kleinen, außer an von Touristen stark besuchten Orten. Erst kommt der Kaffee in die Tasse, und später die Milch. Weil der Milchschaum etwas schwerer ist als die Creme vom Espresso, hebt dieser sie hoch und bietet die Möglichkeit, die Kombination aus weißem Hintergrund und hellbrauner Oberfläche als Zeichenfläche zu nutzen.
Die wahre Kunst besteht darin, einen halbfesten und gleichmäßigen Schaum zu erzeugen. Dann können die Baristas sich beim Zeichnen von Figuren darin austoben; die Begeisterung und Leidenschaft dafür geht inzwischen so weit, dass jährlich Latte Art Meisterschaften in aller Welt stattfinden.
Latte macchiato
Das ist die umgekehrte Variante eines Cappuccino: Milch mit einem Schuss Espresso. Wichtig ist hierbei die Reihenfolge, wie Milch und Kaffee vermengt werden. Nämlich wird in Italien erst der Milchschaum ins Glas – ja, Latte Macchiato wird immer im Glas getrunken – gegossen, und erst dann kommt der Kaffee.
Und was ist mit all den Geschmacksrichtungen und pflanzlichen Milchsorten?
Inzwischen ist es in Italien nicht nur leicht, pflanzliche Milchersatzprodukte zu finden, sondern sie sind soweit vollständig akzeptiert. Schaum aus Sojamilch ist außerdem kaum von dem aus Kuhmilch zu unterscheiden; nur der Barista wird Dein Geheimnis kennen.
Wenn Du etwas Zucker in Deinem Kaffee möchtest, dann nimm einfach Zucker. Haselnuss-, Vanille- und andere künstliche Aromen sind die Domäne von Starbucks und Co.
Und zum Schluss: Caffè corretto
Vielleicht freust Du Dich, zu erfahren, dass das einzige Mal, in dem es akzeptabel ist, den eigenen Kaffee zu strecken, die Zugabe von Schnaps ist.
Wenn es etwas für Dich ist, bestelle einen Caffè corretto (auf Deutsch: “korrigierter Kaffee”). Doch auch hier gibt es einige Regeln. Die beiden wichtigsten alkoholischen Getränke, um dem Kaffee in Italien eine feine Note zu verleihen, sind Brandy oder Grappa.
Einige Worte der Warnung. Erstens wird der Schnaps in einem eigenen Glas in voller Größe geliefert, das Du dann normalerweise in Deinen Kaffee tunkst. Zweitens: Caffè corretto wird oft in der Früh getrunken.
Wann trinke ich in Italien Kaffee – und welchen überhaupt?
Zu wissen, welcher Kaffee zur Auswahl steht, ist nur die halbe Miete. Es ist nämlich noch wichtig, zu wissen, wann welcher Kaffee angebracht ist. Du weißt sicherlich, dass die Bestellung eines Cappuccinos nach dem Mittagessen das modische Äquivalent zum Tragen von Socken und Sandalen ist. (Dabei ist ein Cappuccino immer lecker, egal zu welcher Tageszeit.)
Eine sehr einfache Faustregel lautet: In Italien wird nicht ab Mittag keinen Kaffee bestellt, der Milch enthält. Das ist im Großen und Ganzen auch die einzige Regel, die von Sizilien bis zu Südtirol eingehalten wird.
Es ist dennoch nicht verboten, ein Cappuccino am Nachmittag zu bestellen. Es gleicht dennoch einem Outing als nicht ortskundiger Tourist in einem fremden Land.
Hier meine besten Tipps, um erfolgreich und wie ein Einheimischer Kaffee zu bestellen
Wie kann ich in Italien Kaffee bestellen?
Was nun noch fehlt, ist die eigentliche Bestellung.
Die Italiener trinken ihren Kaffee immer noch in (neuen) altmodischen Bars und haben noch keinen Geschmack an hippen Coffee Shops des 21. Jahrhunderts gefunden. Solche Bars sind leicht daran zu erkennen, dass sie von Menschen gesäumt sind, die an einer winzigen Tasse starken Kaffee nippen.
Viele Bars bieten keine Tischbedienung an. Deswegen ist es notwendig, dass du ins Getümmel stürzt; gestikuliere, hebe die Hand, errege die Aufmerksamkeit des Barista oder der Bedienung, warte, bis Du Blickkontakt mit ihnen hast, und schreie Deine Bestellung selbstbewusst heraus.
Wie man in Italien Kaffee bezahlt
Ich weiß, ich weiß. Du denkst: Claudio, Du spinnst. Ich weiß, wie man einen Kaffee bezahlt, und in Italien wird das ja auch nicht anders als in Deutschland sein. Doch so einfach ist das in Italien nicht.
In vielen italienischen Bars erhältst Du bei der Bestellung deines italienischen caffès einen kleinen Zettel, der als Rechnung dient. Dann bekommst Du Deine Bestellung und wenn Du dann fertig sind, bezahlst Du beim Barmann oder Kassierer.
In manchen Fällen bezahlst Du jedoch im Voraus bei der Bestellung. Wenn das Lokal etwas größer ist, bestellst Du Deine Getränke an der Kasse, bezahlst den Kassierer und mit dem Beleg gehst Du zur Bar und sagst dem Barkeeper, welche Getränke Du haben möchtest, falls diese nicht auf der Beleg ausgewiesen sind.
Woher weiß ich, ob ich an der Bar oder an der Kasse bezahlen muss? Dafür habe ich einen simplen Tipp: Normalerweise bleibe ich eine Minute stehen, beobachte die Einheimischen bei ihren Bestellung und tue es ihnen gleich. Im schlimmsten Fall bestellst Du Dein Getränk und bekommst gesagt, dass Du erst bezahlen müssen.
Wie ich in Italien Kaffee trinke
Lass uns rekapitulieren: Du weißt, welchen Kaffee Du trinken willst und Du hast bereits herausgefunden, wann und wo bezahlt wird. Mit dem Kaffee in der Hand möchtest Du dich hinsetzen und an Deinem Getränk nippen, korrekt?
Falsch gedacht, denn Kaffee für Italiener ist ein schnelles Getränk, das Du im Stehen an der Theke zu Dir nimmst. Für mich ist das Genießen eines Kaffees oft ein Moment, in dem ich mich erhole, den leckeren Geschmack auskoste und die Menschen um mich herum beobachte. Zwar bieten viele Cafés in Italien einen Sitzplatz, vor allem in touristischen Gegenden, aber das ist nicht die Art der Einheimischen.
An der Theke bzw. am Tresen spielt sich das Leben der Bevölkerung, die auf dem Sprung ist und zwischen dem einen und anderen Termin sich einen kleinen koffeinhaltigen Genuss gönnt. Manchmal sehe ich dennoch ältere Zeitgenossen, die an einem kleinen Tisch in einer Ecke sitzen und entweder animierte Diskussionen über das laufende Fußballspiel führen, oder die sich vielsagend anschweigen und an ihrem sehr italienischen Kaffee nippen.
Fazit
Es wird als inakzeptabel angesehen, nach dem Mittagessen Kaffee und Milch zu mischen, aber es ist völlig in Ordnung, sich zum Frühstück einen Schnaps zu genehmigen. Großartig!
Mehr Beiträge zu meinen italienischen Lieblingsorten findest Du hier.
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Auf dem Reisefotografieblog von Claudio Salvati Photography.
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